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Antike Spiritualität

8/5/2012

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​Durch eine christliche Kultur geprägt, können wir uns heute kaum vorstellen, wie ein Mensch der Antike an Naturgottheiten glauben konnte. Wenn man es dennoch versucht, muss man die ungeheure Vielfalt der z.B. römischen Religion verstehen.
 Es gab den Staatskult, deren korrekte rituelle Aufführung das Imperium zusammenhielt. Es gab die Verehrung der Hausgötter, wie den Laren, Penaten oder Matronen. Lokale Gottheiten wurden meist in den römischen Götterkult »adoptiert« und die aus dem Osten kommenden Mysterien versprachen Erlösung nach dem Tod.

Als wenn das nicht Verwirrung genug wäre, empfanden die Menschen eine tiefe spirituelle Naturverbundenheit, da jederzeit eine Gottheit erscheinen konnte - besonders an Quellen als Lebensspender, Felsspalten als Schoß der Erde, Wegkreuzungen, Lichtungen oder auffälligen Formationen von Bäumen oder Felsen. Der Mensch wird erfüllt mit deren Kraftfeld und hofft auf Heil und Ursprünglichkeit.
Hier wirkte ein »Genius loci«, ein Ortsgeist. Die Besitzergreifung des Ortes durch den Menschen erfordert eine Übereinkunft mit dem Gott, ein Opfer oder eine Ausweichmöglichkeit. Gottheiten wurden als heilige Prinzipien verehrt und hatten unsichtbare Dimension. So brauchten sie ein »Gefäß«, um zu erscheinen. Eine Baumgottheit verkörperte Ursprungsmacht des Baumes, d.h. Macht, die es dem Baum ermöglichte, Baum zu sein.
Die Gottheit selbst war die »Idee« des Baumes, wie Plato es formulierte.

Naturgötter gehören der Erfahrungsreligion an und sind damit im Unterschied zu 
Göttern der Offenbarungsreligionen keine Sache des Glaubens. 
Eine Frage wie »Glaubst du an Flussgötter?« ist falsch gestellt, denn es muss heissen, 
    »Bist du bereit, was du am Fluss siehst, als Ausdruck eines Göttlichen anzuerkennen?«
»Hast du schon einmal einen Flussgott gesehen?« muss umformuliert werden in: 
    »Hast du ein Erlebnis gehabt das dich vom Sinn solcher Anerkennung überzeugt hat?« 
»Gibt es Flussgötter wirklich?« muss heissen: 
    »Gibt es Erlebnisse, die sich als Epiphanie eines Flussgottes sinnvoll begreifen lassen?«

Viele Missverständnisse in der Interpretation liegen u.a. in der christlich-spätantiken Polemik, dass das Heidentum unterlegen und im Niedergang begriffen ist. In der christlichen Renaissance konnte man in der antiken Religion noch direkte Personifikation in den Darstellungen der Götter sehen. So unterstellte man dem antiken Menschen eine Areligiösität im Glauben. Dieser konnte jedoch das Wesen der Götter am besten dadurch ausdrücken, indem er die Geschichte der Wirkungen ihrer Taten darstellt; die Person selbst kann dabei in den Hintergrund treten. 

Mythen dienen deshalb dazu, dem Menschen bewusst zu machen, in welchen Ereignissen er welche Gottheiten erkennen kann. Der dargestellte Gott ist somit weder eine Person für sich selbst, noch ein dahinterliegendes Element. So kann Vulcanus nicht als das Feuer oder ein Flussgott nicht einfach als das Wasser des Flusses charakterisiert werden. Vielmehr ist eine derartige Gottheit die Erscheinung, die einem entgegenschlägt, wenn man ihm begegnet. Am besten lässt sich dies durch das Wort "Atmosphäre" beschreiben. Der Naturgott ist die Gestalt gewordene Atmosphäre, die der Ort ausstrahlt. Gestalt gewordene Atmosphären heissen im Lateinischen numina. Der Mensch ist von ihnen betroffen und reagiert mit dem, was wir Kultus nennen. Kultus ist Kultivierung des Betroffenseins von Atmosphären.

Auch heutzutage lässt sich die Atmosphäre erfahren. Jeder kennt wahrscheinlich das Gefühl, das einen durchfährt, wenn man an einem für sich ganz besonderen Ort ist. Die Eindrücke, die dabei auf den Menschen einfliessen, lassen den genius loci seine eigene Gestalt annehmen.


Quellen: Peter Kingsley, Dr. Robert J. Kozljanic, Peter Lichtenberger (www.imperiumromanum.com)
Bild: Darstellung des Flussgottes Tiber  am Senatorenpalast auf dem Kapitol, Rom
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