Einige dieser Geschichten haben sich zu Mythen verdichtet, die das Potential besitzen, Generationen von Menschen zu leiten und zu inspirieren, die Erkenntnis von ihnen haben – und der Mythos von STAR WARS gehört dazu.
„Immer hatten Mythen und Riten vor allem die Funktion, die Symbole zu liefern, die den Menschen vorwärts tragen, und anderen, ebenso konstanten Phantasiebildern entgegenzuwirken, die ihn an die Vergangenheit ketten wollten“, heißt es in Joseph Campbells „Der Heros der tausend Gestalten“.
Als der erste Star Wars-Film 1977 herauskam, schienen die alten Mythen für viele Menschen unseres Kulturkreises keine Bedeutung mehr zu haben; die drückenden Probleme der Gegenwart beanspruchten – ähnlich wie in dieser Zeit – unsere ganze Aufmerksamkeit, und selbst an Hoffnung schien es zu mangeln. Wirtschaftskrise und Kalter Krieg führten zu einer depressiven Stimmung. Dieser Science Fiction Film war ein atemberaubendes Abenteuer mit Spezialeffekten, die Maßstäbe setzten. Er spielte in einem unbekannten Teil des Universums zu einer ungewissen Zeit: „A long time ago in a galaxy far, far away….“. Hier ging es nicht um die Geschichte der Erde, doch fanden wir in dieser genialen Genre-Mixtur vertraute Western- und Piratenhelden, furchtlose Kämpfer, die an Samurai erinnerten und ein faschistisches System, dass deutlich auf den Nationalsozialismus anspielte. Wir lieben die Fremdartigkeit dieser Welten, da wir gleichzeitig auch so viel Vertrautes wiederfinden.
Die Charaktere waren typische Archetypen, deren Kampf Gut gegen Böse in Campbells Monomythos definiert wurde (siehe dazu www.mrt-essen.de)
Mit der Ausweitung der Geschichte, zunächst in einer Trilogie, mittlerweile in eine auf drei mal drei Filme angelegte Saga, näherte sie George Lucas, ein großer Verehrer der Werke Campbells, in der Komplexität einer neu geschaffenen Welt J.R.R. Tolkien an. Wie der Schöpfer Mittelerdes stellt Lucas den Konflikt Mensch gegen Maschine in den Fokus, ebenso wie ethische Fragen. Würden wir der Ordnung willen unsere Freiheit aufgeben?
Wer ist der Fremde? Ist er eine Bedrohung?
All dies sind Inhalte hochaktueller Diskussionen.
Kaum ein Epos der Popkultur hat derart viele Motive und Figuren aus der Hochkultur entwendet und geremixt: vom ödipalen Vater-und-Sohn-Konflikt, über Anlehnungen an Shakespeare, Homer, an indische Erleuchtungslehren, Wagner und Nietzsche. Der Jedi-Orden und seine Werte sind ein Destillat griffigster Motive aus allen Weltreligionen. Der historisch-politische Komplex bietet für Historiker jede Menge inspirierender Assoziationen.
Besonders deutlich werden Versuchung, Fanatismus, Hass, Korruption und Verrat in der Geschichte um Anakin Skywalker behandelt, der laut einer alten Prophezeiung die ,,Macht" ins Gleichgewicht bringen und damit die Welt erlösen soll, dabei jedoch selbst der Verführung zur dunklen Seite erliegt, sich den Sith anschließt und somit zum gefallenen Helden wird. Die Parallelen zur christlichen Mythologie sind dabei kaum zu übersehen, wie es der Philosoph Michael Schmidt-Salomon in seinem Werk ,,Jenseits von Gut und Böse. Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind" ausführlich beschreibt.
Für welche Ethik stehen also die Sith-Lords? Zunächst sehen wir in ihnen das „Böse“ als reine Abziehbilder des Faschismus, doch ist deren Philosophie komplexer als man vermutet.
Obi-Wan Kenobi, Mentor von Anakin und Luke Skywalker und ein durchweg positiv dargestellter Charakter der Star-Wars-Filme, sagt in Star Wars: Episode 3 folgendes über jene, die der dunklen Seite der Macht dienen: „Nur ein Sith betrachtet die Welt in absoluten Kategorien.“
Kann man für sich in Anspruch nehmen, absolute Aussagen über die Realität zu machen ohne dabei in einer extremen Perspektive einzufrieren? Gar fanatisch zu werden? Wer definiert das „Gute“ und das „Böse“?
Zunächst geht es hier um Aussagen, die sich bewährt haben, die gut funktionieren, um das Überleben der eigenen Art zu sichern (Pragmatismus) und um jene, die von sich in Anspruch nehmen die Wirklichkeit exakt zu definieren (Realismus / Objektivismus).
Die Jedi differenzieren sich also von den Sith, da sie absolute Kategorien negieren, Gut und Böse für grau und nicht genau definierbar halten. Doch philosophisch betrachtet fällt es dann schwer moralische Unterscheidungen zu treffen.
Eine Ideologie von Extremisten, Radikalen, Fanatikern und Terroristen kennt dieses abwägende Zögern nicht. Sie sind somit im Vorteil und das bereitet unserer Gesellschaft zur Zeit einen Menge Probleme.
Wenn man den Sith unterstellt, sie unterteilen die Welt in Freund und Feind, verwendet man eine falsche Definition von „Gut“ und „Böse“.
Behauptet man, dass Menschen böse sind, die einem Lebewesen absichtlichen Schaden zufügen und gut, jene, die das Leben schützen, würde man selber dualistisch werten. Um festzustellen, ob jemand ein guter Mensch ist, muss man herausfinden, ob er über einen längeren Zeitraum gut handelt. Wenn er manchmal böse Dinge tut und manchmal gute Dinge, muss man für seine Einschätzung prüfen, was gut und was böse ist und welchen Anteil diese Handlungen an seinem Leben haben. Grau gibt es jedoch gar nicht, sondern nur die Entscheidung in optionalen Handlungen!
Man sollte sich hier nicht von Aristoteles Idee eines „gesunden Maßes“ verwirren lassen – denn für ihn ist ja genau dieses gesunde Maß „gut“ – und davon abweichende Handlungen schlecht, wenn auch eventuell nur in einem geringen Maße.
So befinden wir uns mitten in der Ethik von Star-Wars.
Die Ethik der Sith
„Frieden ist eine Lüge.
Es gibt nur Leidenschaft.
Durch Leidenschaft erlange ich Kraft.
Durch Kraft erlange ich Macht.
Durch Macht erlange ich den Sieg.
Der Sieg zerbricht meine Ketten.“
So lautet der Sith-Codex und man erkennt schnell einen Sozialdarwinismus, der sich politisch im Faschismus äußert. Es geht um ein Überleben der Anpassungsfähigsten, notfalls auch mit Gewalt.
Darth Plagueis, der Mentor von Darth Sidious (dem Imperator) beschreibt das politische Ziel der Sith: “Aufgeklärte Wesen, führende Intelligenzen manipulieren Geschehnisse, um einen Sturm zu entfachen, der die Macht in die Hände einer elitären Gruppe lenkt – einer Gruppe, die bereit ist, die schwierigen Entscheidungen zu treffen, welche die Republik aus Furcht nicht trifft.”
Hier wird der Mensch in einer Hierarchie geführt, die das durchsetzt, was zum Wohle der eigenen Art getan werden muss.
„Es gibt jene mit Macht, mit der Kraft und dem Willen zu führen. Und es gibt jene, die zum Folgen bestimmt sind – jene, die zu nichts fähig sind außer Knechtschaft und einer kargen, wertlosen Existenz.“ so Darth Bane, einer der mächtigsten Sith-Lords.
Hier wird die Unterjochung der Schwachen zum Naturgesetz pervertiert.
Ein politisch-ideologischer Schachzug der Nationalsozialisten missbrauchte Schobenhauers bzw. Nietzsches Begriff des Willens ebenso. Wie eine Handlung ethisch zu rechfertigen ist, liegt in der Perspektive des Bewertenden.
„Böse ist ein Begriff, der von den Ahnungslosen und Schwachen gebraucht wird. Bei der Dunklen Seite geht es um die Entfachung deiner inneren Kraft. Sie glorifiziert die Stärke des Individuums.“ Tatsächlich geht es jedoch nur um die physische Stärke, das physische Überleben und die gewaltsame Macht über andere. Das hat mit Charakterstärke und Macht über sich selbst nichts zu tun.
Das Imperium entstand zwar mit Hilfe von Mord und Intrige, doch die Sith-Lords haben ihren Machiavelli gelernt. George Lucas dazu: „Wie wurde die Republik zum Imperium? Dies wird als Parallele behandelt zu der Frage: Wie wurde Anakin zu Darth Vader? Wie wird ein guter Mensch zu einem bösen, und wie wird aus einer Demokratie eine Diktatur? Es ist nicht so, daß das Imperium die Republik erobert hätte, sondern das Imperium ist die Republik.“ Das Imperium ist also durch „natürliche“ Selektion aus der inneren Korruptheit der Republik erwachsen.
Darth Cognus bringt einen Unterschied zwischen der sozialdarwinistischen und der kapitalistischen Ethik auf den Punkt: „Wohlstand und materielle Güter bedeuten mir nichts. Ich strebe nur nach Macht und nach einem Ziel. Mit der Macht kann man sich einfach alles nehmen, was man will oder braucht. Mit einem Ziel ergibt das Leben einen Sinn.“ Ein Kapitalist strebt also Wohlstand an, er arbeitet unter anderem für materielle Güter, während ein Sith sich mit Gewalt nimmt, was er haben möchte.
Logischerweise sind die Sith, als die Leugner wichtiger Fakten über die Existenz, Relativisten: „An der Lüge ist etwas wahr und an der Wahrheit ist etwas Lüge!“ sagt Darth Ravenus. Die Jedi dürften als ihre konsequenten Gegenspieler eigentlich keine Relativisten sein, machen aber ebenso Aussagen in dieser Richtung.
Die Ethik der Jedi
„Es gibt keine Emotion, nur Frieden.
Es gibt keine Ignoranz, nur Wissen.
Es gibt keine Leidenschaft, nur Gelassenheit.
Es gibt keinen Tod, nur die Macht.“
Im Jedi-Codex klingt vieles an, was schon die Stoiker, Taoisten und Buddha vermittelten - das Einüben in Gleichmut, die Kontrolle der Emotionen, besonders des Zorns.
Doch in der Praxis bedeutet eine Abkehr von Emotion auch ein Leben ohne Leidenschaften. Leiden lässt uns jedoch reifen…
Die Philosophie der Jedi hat mystische, relativistische und altruistische Elemente, die den vermeintlich „rationalen“ und „egoistischen“ Elementen der Sith-Ethik entgegengestellt werden. Ist das „Böse“ als industriell-technisch ausgerichtetes Ordnungssystem eines Imperiums, dass sich eines rücksichtslosen Subjektivismus bedient, klar definiert, wird es mit der Beschreibung des „Guten“ ungleich schwieriger.
Typisch für die Mystiker und epikureischen Hedonisten sagt Meister Joda, man solle keine zu starke „Anhänglichkeit“ an seine Werte entwickeln. „Der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens. Freue dich für jene, die in die Macht übergehen. Beklage sie nicht. Vermisse sie nicht. Anhänglichkeit führt zur Eifersucht. Das ist der Schatten der Gier.“ Mit anderen Worten soll man keine echten Werte haben. Das wird auch Anakin Skywalker zum Verhängnis, denn die Jedi verstehen sich als geschlossenen Mönchsorden, der seinen Mitgliedern romantische Bindungen untersagt – eine Variante der Gralsrunde aus Wagners Parsifal.
Anakin mutiert zu Darth Vader, weil er den Dingen verfällt. Er kann sich nicht von seiner Mutter lösen; er kann sich nicht von seiner Freundin lösen. Er kann sich nicht von den Dingen lösen. Das macht gierig. Und wenn man gierig ist, dann ist man auf dem Weg auf die dunkle Seite, weil man etwas zu verlieren fürchtet.
Meiner Ansicht nach gehört das Beklagen eines Verlustes zum Leben dazu. Niemals etwas wertzuschätzen ist keine Lösung für das Problem, es vielleicht einst zu verlieren. Man könnte einmal seinen Partner verlieren, sollte man darum keinen Partner haben?
Yoda tritt wie Obi-Wan als Relativist auf: „Viele der Wahrheiten, an die wir uns hängen, sind abhängig von unserer Perspektive.“
„Misstraue deinen Augen, sie können dich täuschen“, sagt Obi-Wan Kenobi – alles ist Mana, die Welt ist ein Trugbild.
Die Verlässlichkeit der Sinne gehört jedoch zu den begründeten Überzeugungen einer objektivistischen Philosophie, obwohl die „Wahrheit“ und nur aus individuell-konstruktivistischer Sicht zugänglich ist. Doch wenn wir unseren Sinnen nicht trauen können, dann können wir nichts wissen. Woher kommt dann das „Wissen“ im Jedi-Codex?
Die Jedi sind außerdem oder vielmehr im Widerspruch dazu angeblich Altruisten. Palpatine, der spätere Imperator, sagt in Episode III zu Anakin: „Gut ist eine Frage der Perspektive. Die Sith und die Jedi sind sich auf beinahe jede Weise ähnlich, inklusive ihres Strebens nach größerer Macht.“ Anakin antwortet: „Die Sith verlassen sich auf ihre Leidenschaft für ihre Stärke. Sie denken nur an sich selbst.“ „Und die Jedi nicht?“ „Die Jedi sind selbstlos… sie sorgen sich nur um andere.“
Es stellt sich die Frage, warum sich die Jedi eigentlich um andere sorgen, wo sie doch keine „Anhänglichkeit“ an Werte entwickeln sollen. Wenn es ihnen gleichgültig sein soll, wenn ein geliebter Mensch stirbt, warum sollte es ihnen weniger gleichgültig sein, wenn Fremde sterben?
Was bei den Jedi besonders auffällt ist der Gegensatz zwischen ihren Aussagen über das, was sie glauben und tun, und dem, was sie tatsächlich tun. Die Jedi werden nicht als die passiven, blutleeren Mystiker-Mönche dargestellt, als die sie sich ausgeben, sondern sie treten als aktive Kämpfer für die Republik und gegen die Sith in Erscheinung. Außerdem sind sie als Diplomaten im Universum unterwegs. Ihre Taten haben mit ihren Aussagen über sich selbst nur wenig zu tun.
Die Jedi, beurteilt an ihren Handlungen, haben Werte, die ihnen sehr viel bedeuten und für die sie sehr engagiert kämpfen. Sie kämpfen für die Republik, sie setzen sich wo möglich für friedliche Lösungen von Konflikten ein, sie sind eine Art „Weltpolizei“, nur für das ganze Universum.
Die politischen Konnotationen des Star-Wars-Universums sind vielfältig und widersprüchlich, und eben darauf beruht die „mythische“ Macht dieses Universums: die freie Welt versus das Reich des Bösen; der Rückzug der Nationalstaaten in den Rechtsextremismus; der symptomatische Widerspruch, daß Menschen von adeligem Rang (die Prinzessin, Mitglieder des elitären Jedi-Ordens) die „demokratische“ Republik gegen das Reich des Bösen verteidigen; schließlich die richtige und entscheidende Einsicht, daß „wir die Bösen sind“, also das Reich des Bösen nicht da draußen ist, sondern gerade durch die Art und Weise entsteht, wie wir, die „Guten“, das Reich des Bösen, den auswärtigen Feind bekämpfen – beim heutigen „Krieg gegen den Terror“ stehen wir vor der Frage, was dieser Krieg aus dem „freien Westen“ machen wird).
Andreas Müller zeigt in seinem „Feuerbringer“-Blog die erstaunlichen Übertragungen aus dieser Analyse eines modernen Mythos auf die aktuellen Probleme der westlichen Welt.
Die Ethik von Star Wars ist kulturell insoweit interessant, als es die ethische Desorientierung und Hilflosigkeit der westlichen Gesellschaften einfängt. Wir wissen, wogegen wir sind: Gegen Faschismus! Wir haben aber als Kultur aber keine Ahnung, wofür wir stehen. Wie wäre es vielleicht mit fernöstlicher Mystik? Oder mit Frieden und Diplomatie, klingt doch auch gut? Und für andere leben, nicht an sich selbst denken. Und Relativismus, weil alle irgendwie Recht haben – bis auf die Faschisten natürlich.
Die Islamisten stellen nicht darum eine Gefahr dar, weil sie uns zahlenmäßig oder militärisch überlegen wären, sondern weil sie den Finger in die Wunde legen. Weil sie den Westen bloßstellen als ein intellektuell ausgebranntes, leeres und dekadentes Ideengrab und vor allem, weil wir als Kultur darauf keine Antwort gefunden haben.
Quellen:
• Mary Henderson - Star Wars, Magie und Mythos
• Gordon Wagner - Jenseits von Jedi-Rittern und Sith-Lords.
Der Dualismus von Gut und Böse in Star Wars
• Daniel Meyer - Der verführte Jesus, Anakin Skywalker und die dunkle Seite der Macht
http://philomag.de/war-heidegger-ein-sith/
https://feuerbringer.wordpress.com
http://sithacademy.com/inspiration/quotes/